Interview: Verkehrsunfallforschung und Urbanisierung

» FRAGE: Die „Straße der Zukunft“ soll mehr sicherheitsfördernde Eigenschaften aufweisen. Wie sieht der Verkehrsunfallforscher diese Entwicklung?

Wo das relativ gut zutrifft, ist die Landstraße, da sprechen wir ja immer von der fehlerverzeihenden Straße. Das sind insbesondere Straßen, bei denen im Seitenraum nichts ist, wogegen man stoßen könnte. Das zu verbinden mit den Innenstädten und der Urbanisierung, damit habe ich sehr viel größere Schwierigkeiten. Meine Fantasie reicht vielleicht nicht aus, mir einen anderen Verkehr vorzustellen als den, den wir heute haben, aber für mich gibt es in naher Zukunft keinen absolut sicheren Straßenverkehrsraum. Wir haben unterschiedliche Verkehrsträger, die miteinander nicht oder nur begrenzt kompatibel sind. Also ein Pkw, der mit einem Radfahrer oder Fußgänger kollidiert, wird unweigerlich Verletzungen produzieren und das vor allem beim schwächeren Verkehrsteilnehmer.

Bei neuen Vorschlägen bin ich immer dafür, erst einmal in kleinem Rahmen Testphasen vorzuschalten, um mal zu schauen, ist das wirklich besser, als das was wir haben. Getrennte Verkehrswege hatten wir in den 70er und 80er Jahren schon einmal, das waren die alten Hochbordradwege. Die sind in Ungnade gefallen, weil sie viel zu schmal konzipiert waren, mit viel zu schlechten Oberflächen, auf denen der Fahrradfahrer nicht ausreichend komfortabel fahren konnte. Deshalb hat man jetzt viele Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn angelegt.

Da hat der Radfahrende den angenehmen Straßenasphalt und die Wege wurden auch gleich breiter. Die Kehrseite war von Anfang an, dass sehr viele Radfahrende, insbesondere ältere Semester, diese Wege einfach ablehnen. Wenn beide Anlagen nebeneinander liegen, benutzen die Leute zu achtzig Prozent den alten Hochbordradweg.

Was in diesem Zusammenhang noch wichtig ist, die meisten schweren Unfälle passieren nicht im Streckenverlauf, sondern an Kreuzungen, Einmündungen und Grundstücksein- und -ausfahrten. Der alte und zu schmale „Ein-Meter-Radweg“ war natürlich Unfug, vor allem wenn er im Kreuzungsbereich zu weit von der Fahrbahn abgesetzt war. – Jetzt gibt es als Vorschlag die sogenannte Protected Intersection (geschützte Kreuzung), die nun den Konflikt mit abbiegenden Kraftfahrzeugen entschärfen soll, indem die Radfahrenden von der Fahrbahn wegverschwenkt werden. Das soll dafür sorgen, dass Radfahrende im Aufstellbereich besser gesehen werden.

Unsere Versuche zeigen nun aber, dass die Sicht aus der Bewegung heraus sogar schlechter wird, weil die Radfahrer*innen aus dem Spiegel verschwinden. Es zeigte sich auch, dass die Abbiegeassistenten des Lkw das nicht „verstehen“. Dadurch, dass der Fahrradfahrende beim Geradeausfahren eine Schwenkbewegung nach rechts macht, wird dem Abbiegeassistenzsystem signalisiert, dieses Fahrzeug biegt nach rechts ab. Hier sollte auf jeden Fall noch mal nachgedacht und nachjustiert werden, bevor man die ganze Infrastruktur in diesem Bereich ändert.

» FRAGE: Inwieweit werden die geplanten Veränderungen der Verkehrsinfrastruktur Thema der Unfallforschung?

Wir kommen immer erst ins Spiel, nachdem eine kritische Situation im realen Verkehrsgeschehen auftritt. – Es existieren inzwischen zwar auch virtuelle Szenarien, digitale Modelle der präventiven Verkehrsforschung, gespeist mit „beginnender“ künstlicher Intelligenz, die aus meiner Sicht aber noch keine befriedigenden Ergebnisse liefern. – Es mag sein, dass sich das irgendwann ändert, aber bis dahin schauen wir uns die Vorgänge retrospektiv und real an. Das ist unsere klassische Forschungsmethode.

Regelwerke, die wir in Deutschland für die zukünftige Straßeninfrastruktur haben, entstehen aus der Beratung der Forschungsgesellschaft Straßen und Verkehrswesen e. V., (FGSV). Experten, die wir in Deutschland haben, finden sich dort in Arbeitskreisen und Ausschüssen zusammen. Sie versuchen, auf vorhandenem Forschungsstand die Regelwerke zu entwickeln oder zu verbessern. Für viele Anwendungsfälle, die wir standardmäßig auf den Straßen haben, sind halt Regelwerke da und die gelten auch immer. Wenn Kommunen es anders handhaben, ist bei Unfällen die Gefahr einer Amtshaftung groß. Einschlägige umfangreiche Regelwerke sind z. B. die Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) und die Richtlinie für die Anlage von Lichtsignalanlagen (RiLSA). Die Richtlinien und Regelwerke sind natürlich einem ständigen Wandel unterworfen. In den 70er Jahren hat man Radwege nach anderen Richtlinien gebaut, da gab es ganz andere Radverkehrsstärken, der Stellenwert war einfach ein anderer.

Dann ändert sich natürlich auch die Sichtweise auf die Dinge, der gesellschaftliche Wandel spielt eine große Rolle – nichts ist festgeschrieben. Gerade beim Thema Radverkehr hat sich ja in den letzten Jahren sehr viel verändert. Das Thema Schutzstreifen und Radfahrstreifen z. B.: Bei Radfahrstreifen soll eine 0,5 Meter breite Abstandszone zu parkenden Fahrzeugen markiert werden, bei Schutzstreifen wird oft darauf verzichtet. Nun stellt sich aber heraus, dass wir sehr viele Tür-Unfälle (Dooring-Unfälle) haben. Brauchen wir also immer einen Sicherheitsabstand zu parkenden Autos und sind die 0,5 Meter Abstand vielleicht viel zu wenig? Dann haben wir in der Richtlinie eine Regelbreite von 1,85 Meter für Radfahrstreifen. Das reicht weder für sichere Überholmanöver der Radfahrenden untereinander innerhalb des Radfahrstreifens aus noch kann dadurch der in der StVO vorgeschriebenen Überholabstand von mindestens 1,5 m zwischen Kfz und Radfahrenden sichergestellt werden. Im Sinne der aktuellen Verkehrsentwicklung müssen hier Anpassungen erfolgen.

» FRAGE: Nehmen wir die Benutzung der Bussonderfahrstreifen, die für andere Verkehrsteilnehmer geöffnet werden können. Was passiert, wenn unterschiedliche Verkehrsteilnehmer hier aufeinandertreffen?

Das sind für die Unfallforschung Grenzbereiche, weil die Beschleunigung des ÖPNV nicht nur Sicherheitsfragen berührt. Aber, wenn Sie schon fragen: Ich empfehle hier äußerste Zurückhaltung. Wir haben sowieso schon etliche legale Nutzer wie Krankenwagen, Taxen oder Radfahrer. Hinzu kommen viele „illegale“ Nutzer der Busspur, die sich dadurch animiert fühlen dürften, dass hier keine hohen Bußgelder drohen, wenn man mal zufällig dabei erwischt würde. Gerade wenn ich einen Rückstau an der Ampel habe, „schießen“ Fahrer über die Busspur nach vorne. Jetzt können die Kommunen auch E-Fahrzeuge zulassen. Aber was passiert, wenn die da auch noch fahren? Was alles auf dem Kennzeichen ein „E“ trägt, ist nicht unbedingt ein reines Elektrofahrzeug, sondern das sind auch Hybride. Erstens steigt deren Zahl ja schnell an und zweitens haben wir auf der Busspur dann massive Nachzieheffekte, weil sich jeder fragt, warum er links daneben im Stau stehen soll.

Damit sind die Vorteile für den ÖPNV dahin, die Vorrangschaltung der Ampel an Kreuzungen funktioniert dann auch nicht mehr. Radfahrer, die die Spur mitbenutzen, sind natürlich durch die vielen Fahrzeuge zusätzlich gefährdet. Von der auch diskutierten Idee, die Busspur auch für mit mehreren Personen besetzte Kraftfahrzeuge freizugeben, halte ich deshalb gar nichts.

FRAGE: Welchen spontanen Wunsch zur Erhöhung der Verkehrs­sicherheit hätten Sie – im Hinblick auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer?

Das ist jetzt wirklich schwierig, weil schwächere Verkehrsteilnehmer nicht alle in einem Topf sind, sie haben unterschiedliche, sehr spezifische Probleme! – Ich entscheide mich mal für die Fußgänger. Hier wäre mein großer Wunsch, dass die Kommunen das machen, was schon seit vielen Jahren für den Autoverkehr ganz selbstverständlich ist, nämlich sich die Verkehrsströme einmal anzuschauen und die Planung darauf aufzubauen. Denn was uns fehlt, ist vielerorts die sichere Querung. Es ist wichtig, dass Fußgänger möglichst mit einem Zebrastreifen, der Anforderungsampel oder zumindest mit einer Mittelinsel versorgt werden, und zwar an der richtigen Stelle. Denn in circa 20 Jahren wird jeder dritte Einwohner über 65 Jahre alt sein, und je älter man wird, desto unwahrscheinlicher wird es sein, dass man größere Umwege in Kauf nimmt, um eine sichere Querung zu finden. Und deswegen muss die ganze Entwicklung dahin gehen, die sichere Querung dorthin zu bauen, wo ich sie auch unmittelbar brauche, dort wo die Ströme am größten sind. Das wird gelegentlich gemacht, aber immer noch zu selten. Der Fußgängerunfall wird einer sein, der uns in den nächsten Jahren noch maßgeblich beschäftigen wird.

Das Interview führte Hans-Joachim Reimann,
Chefredaktion DEGENER Verlag GmbH

Siegfried Brockmann, Jahrgang 1959, studierte nach seiner Ausbildung zum Kfz-Mechaniker Politische Wissenschaften in Berlin. 1998 übernahm Siegfried Brockmann die Kommunikation für den Bereich Schaden- und Unfallversicherung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Seit 2006 ist er Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Er ist ehrenamtlich Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats und beratendes Präsidiumsmitglied der Deutschen Verkehrswacht (DVW), Vorstandsmitglied des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) und Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Seniorenliga (DSL).
Enorme Herausforderung für unterschiedliche Verkehrsteilnehmer – komplexer Kreuzungsbereich.© Barbara Franke
Schematische Darstellung einer Schutzkreuzung (nicht regelwerksgerecht).© DEGENER
Auf einem vorbildlich angebrachten Sonderfahrstreifen für den Linienverkehr sollte man sich nicht in „die Quere“ kommen.© DEGENER
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Zahl der Pedelecs steigt – damit aber auch die Unfallzahlen

Trotz insgesamt sinkender Unfallzahlen steigt die Zahl der verunglückten Pedelec-Fahrer deutlich an.

Das Statistische Bundesamt (Destatis) gab an, dass im November 2020 die Zahl der Verletzten gegenüber dem Vorjahresmonat um 21,9 Prozent sank. In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres 2020 erfasste die Polizei insgesamt 2,1 Millionen Straßenverkehrsunfälle (minus 15,5 Prozent gegenüber 2019). Darunter waren 247.300 Unfälle mit Personenschaden (-11,1 Prozent), bei denen 2523 Menschen starben. Das waren 294 Unfalltote (-10,4 Prozent) weniger als in den ersten elf Monaten 2019. Damit ging die Zahl der Verletzten im Straßenverkehr um 14 Prozent auf 305.900 zurück. Was mitunter auf das geringe Verkehrsaufkommen durch die Corona-Pandemie zurückzuführen ist.

Während die Unfallzahlen insgesamt herunter gingen, stieg die Zahl der verunglückten Pedelec-Fahrer im letzten Jahr an – was einerseits auf die weiter steigende Anzahl der immer beliebter werdenden E Bikes zurückzuführen ist aber auch auf die fehlende Übung und Unsicherheit im richtigen Umgang mit den elektrisch unterstützenden Fahrzeugen.

Batterien und Motor machen ein E Bike bis zu zehn Kilogramm schwerer als ein normales Fahrrad, zudem verändert der hohe Batteriesitz den Schwerpunkt ungünstig, was das Handling erschweren kann. Der Verkehrssicherheitsreport der Prüfgesellschaft DEKRA zeigt, dass 2019 mehr als ein Drittel (37 Prozent) der tödlichen Unfälle von Fahrradfahrern in der Stadt ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer geschehen ist, es sich also um sogenannte Alleinunfälle handelte. Als Hauptgrund hierfür nannten die DEKRA-Experten Selbstüberschätzung und mangelnde Fahrkenntnis der Radler. Bei Unfällen mit Pedelecs sind 30 Prozent der Unfälle Alleinunfälle, bei unmotorisierten Radlern sind es hingegen nur 19 Prozent.

Die Verletzungen bei Unfällen mit Pedelecs sind durchschnittlich schwerer als bei Fahrradunfällen. Fast doppelt so oft kommt es zu Brüchen des Ober- oder Unterarms, des Handgelenks oder der Hand. Sie mussten öfter operiert oder auf der Intensivstation behandelt werden. Das ist vor allem kritisch im Hinblick darauf, dass Pedelecs bei älteren Fahrern immer beliebter geworden sind, diese sind allerdings durch etwaige Vorerkrankungen oder die Einnahme von Medikamenten noch gefährdeter.

Trainings und Beratungen könnten hier einen Lösungsansatz bieten. Spezielle Fahrtrainings, Kundenberatung und Probefahrten könnten einen Sicherheitsgewinn beim Umgang mit den Bikes sein. Ein weiterer Ansatz könnte es sein, die Endgeschwindigkeit an die Tretkraft zu koppeln – so dass die Geschwindigkeit an die Muskelkraft gekoppelt wäre.

Die Geschwindigkeit möglicher E-Bikes oder Pedelecs wird oft unterschätzt!© DEGENER
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Auch keine Lockerung für Corona – nicht mehr als 2 Doppelstunden anrechenbarer theoretischer Unterricht pro Tag

§ 4 Abs. 6 der Fahrschülerausbildungsordnung bestimmt, dass regelmäßig nicht mehr als 2 Doppelstunden am Tag anrechenbarer theoretischer Unterricht abgehalten werden dürfen. Die Zusammenfassung der Ausbildung in Intensivkursen mit mehr als 2 Doppelstunden täglich ist durchaus umstritten, weil § 4 Abs. 6 der Fahrschülerausbildungsordnung als Sollvorschrift ausgestaltet ist und insoweit Interpretationen zulässt, ob, wann und welche Ausnahmen möglich sind.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte schon 1983 entschieden, dass ein Ganztagsunterricht, bei dem im Rahmen eines Kompaktkurses der theoretische Unterricht in 7 Doppelstunden an einem Tag (8.00 -18.00 Uhr) abgehalten werden sollte, als unzulässig anzusehen ist. Mit einem solchen Unterricht sei weder eine ausreichende Wiederholung zur Festigung des Gelernten noch die aus verkehrspädagogischer Sicht erforderliche Umsetzung der theoretischen Kenntnisse in den praktischen Unterricht (sog. Verzahnung) gewährleistet. Das Bundesverwaltungsgericht ließ allerdings offen, wann ein Abgehen von der Regel der Begrenzung des Unterrichtes auf 2 Doppelstunden möglich ist.

Auch nach der Auslegung der zuständigen Verwaltungsbehörden trägt die Beschränkung des theoretischen Unterrichts auf täglich 2 Doppelstunden dem Umstand Rechnung, dass ein Fahrschüler in der Regel über einen solchen Zeitraum hinaus nicht aufnahmefähig ist (und zwar auch in den Schulferien) und dass ein im Unterricht behandeltes Thema sich erst einmal setzen muss, bevor das nächste Thema begonnen wird. Auch sollte der Fahrschüler Gelegenheit haben, die theoretischen Kenntnisse in der Praxis anzuwenden.

Das OLG Hamm hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale die strenge Auslegung des § 4 Abs. 6 der Fahrschülerausbildungsordnung 2019 nochmals bestätigt. Dort hatte eine Fahrschule angekündigt, dass bei einer Motorradausbildung der Fahrschüler bereits am siebten Ausbildungstag die theoretische Prüfung ablegen kann. Auch dies wäre nur möglich, wenn der theoretische Unterricht entgegen § 4 Abs. 6 Satz 3 in den für die Ausbildung zur Verfügung stehenden 6 Werktagen mit mehr als 2 Unterrichtseinheiten durchgeführt wird. Im konkreten Fall musste an 4 der 6 Ausbildungstage je eine zusätzliche dritte Unterrichtseinheit abgehalten werden. Das OLG Hamm hat diese Praxis als unzulässig angesehen und die Fahrschule zur Unterlassung verurteilt. Zulässige Ausnahmen für die Verdichtung des Unterrichtes auf mehr als 2 Doppelstunden am Tag auch im Rahmen eines Ferien- oder Kompaktkurses sind sicher die Erkrankung eines Fahrlehrers mit der Folge der Gefährdung der Erreichung des Kurszieles. Vor dem Hintergrund der Ausbildungsziele und der Verzahnung von Theorie und Praxis müssen sich diese Ausnahmen aber auf derartige unvorhersehbare Ereignisse beschränken.

Die Diskussion um den theoretischen Unterricht hat in der Corona-Pandemie wieder an Fahrt aufgenommen durch die temporäre Zulassung von Online-Theorieunterricht. Nicht zu beanstanden ist es sicher, wenn eine Fahrschule mehr als 2 solcher Online-Doppelstunden pro Tag anbietet. Für den Nachweis der theoretischen Ausbildung können aber nur 2 Einheiten je Tag und Fahrschüler/in berücksichtigt werden. Dies sieht eine Fahrschule in Nordrhein-Westfalen anders und beruft sich dabei auf einen Erlass des Verkehrsministeriums, das mehr als 2 theoretische Unterrichtseinheiten am Tag zugelassen haben soll. Unabhängig davon, dass ein solcher Ländererlass die bundesweit geltenden Vorschriften der Fahrschülerausbildungsordnung nicht außer Kraft setzen kann, ist weder in dem Erlass noch in der konkreten Bewilligung der Durchführung der Online-Theorie durch die zuständige Verwaltungsbehörde eine solche Regelung tatsächlich enthalten. Die Wettbewerbszentrale hat daher beim LG Münster Klage erhoben, um klären zu lassen, dass die Beschränkung auf 2 Doppelstunden anrechenbaren theoretischen Unterricht am Tag auch für den Online-Unterricht gilt.

In einem weiteren Fall zur Werbung mit Online-Theorieunterricht führt die Wettbewerbszentrale vor dem LG Berlin ein Grundsatzverfahren zum Thema Online-Theorie. Das Unternehmen bietet Fahrschülern bundesweit die Durchführung von Online-Theorieunterricht an mit dem Hinweis, die praktische Ausbildung könne dann in einer beliebigen Fahrschule fortgesetzt werden. Die Wettbewerbszentrale hat dazu eine ganze Reihe von Werbeaussagen als irreführend beanstandet und vor dem LG Berlin Klage auf Unterlassung erhoben.

Um die Theorie vermitteln zu können, müssen Fahrschüler aufnahmebereit sein. © Adobe Stock
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Die Einführung der OPFEP verlief trotz Pandemie-Bedingungen reibungslos

Die zu Beginn dieses Jahres neu eingeführte Optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung (OPFEP) ist gut angelaufen. Diese Zwischenbilanz zieht die Sachverständigenorganisation DEKRA, die in den ostdeutschen Bundesländern für die Fahrerlaubnisprüfung verantwortlich ist. „Grundsätzlich können wir sagen, dass die Einführung alles in allem reibungslos verlaufen ist – und das trotz der Pandemie“, so Dr. Roland Krause, Leiter der Technischen Prüfstelle beim DEKRA e. V. Dresden.

„Die Rückmeldungen sowohl aus den Fahrschulen als auch von unseren Kolleginnen und Kollegen sind fast durchweg positiv“, berichtet Dr. Krause. „Die Fahrerlaubnisbewerber selbst haben ja zwar in der Regel keinen Vergleich zwischen dem alten und dem neuen Prüfverfahren; aber auch von ihnen haben wir bisher keine negative Äußerung gehört.

Unser Eindruck ist, dass vor allem die detaillierte Rückmeldung, die Bewerberinnen und Bewerber im Gespräch und schriftlich auf Basis des elektronischen Prüfprotokolls bekommen, sehr gut ankommt. Und auch unsere Prüfer sind froh, endlich ohne Papier zu prüfen.“

Die Erfahrungsberichte aus den DEKRA Niederlassungen zwischen Rostock und Suhl decken sich mit einer Ersteinschätzung der TÜV | DEKRA arge tp 21, die auf der Befragung von Fahrlehrern und Prüfern sowie auf einer Analyse der Qualität und Plausibilität der Dokumentation von fast 25.000 Prüfungen aus dem Januar 2021 beruht. Die Studie hält fest, dass keine der drei Teiluntersuchungen Hinweise auf „substanzielle systembedingte Schwachstellen bei der Einführung der Optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung oder beim elektronischen Prüfprotokoll“ ergeben hat. Das Evaluationskonzept zur Einführung der OPFEP sieht weitere Befragungen vor.

Elektronisches Prüfprotokoll ist die auffälligste Änderung

Seit Einführung der OPFEP werden Fahrerlaubnisprüfungen in ganz Deutschland einheitlich mit Hilfe eines Tablet-Computers in einer speziellen Software dokumentiert. „Das ist sicher die Änderung, die für Außenstehende am auffälligsten ist“, sagt Dr. Andreas Schmidt, Leiter Fahrerlaubniswesen bei der DEKRA Automobil GmbH. Der Prüfer hält seine Bewertung zu den einzelnen Fahraufgaben im elektronischen Prüfprotokoll fest. Dazu muss er immer nur dann aktiv werden, wenn der Bewerber die Aufgabe besonders gut löst oder einen Fehler macht. „So kann er sich vorrangig seiner Hauptaufgabe widmen, nämlich der Beobachtung des Bewerbers während der Fahrt“, erklärt Dr. Schmidt.

Einheitliche Anforderungen zu Fahraufgaben

Mit der OPFEP wurden auch die Anforderungen an die Bewerber im Blick auf die Fahraufgaben bundeseinheitlich klar definiert: Welche Fahraufgaben müssen geprüft werden? Was wird dabei von den Bewerbern konkret erwartet?

Wie sehen die Bewertungs- und Entscheidungskriterien aus? „Der Fahraufgabenkatalog erhöht so die Objektivität und die Transparenz im Prüfverfahren und bildet eine wichtige Grundlage auch für die Arbeit der Fahrschulen“, so Dr. Schmidt.

Gut 70.000 Praktische Fahrerlaubnis­prüfungen hat allein DEKRA von Januar bis Mai 2021 nach dem neuen Verfahren abgenommen. Das sind rund ein Drittel weniger als im vergleichbaren Zeitraum 2019 ohne Corona, aber fast 10.000 mehr als in den ersten fünf Monaten 2020. Ausschlaggebend dafür sind unterschiedliche behördliche Lockdown-Vorgaben, mit denen die Bundesländer jeweils auf die Entwicklung der Inzi­denzzahlen reagiert haben.

„Bei den Erfolgsquoten gibt es in den Vergleichs­zeiträumen keine substanziellen Veränderungen“, bilanziert der Leiter Fahrerlaubniswesen bei DEKRA.
© DEKRA e.V.

© DEKRA e.V.
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