Müdigkeit: Unterschätzte Unfallgefahr – nicht nur im Lkw
Millionen Deutsche leiden unter Schlafstörungen. Mediale Reizüberflutung ist einer der Gründe. Aber auch Arbeitsbelastung. Das geht auf die Gesundheit: Fachleute sprechen schon von einer „schlaflosen Gesellschaft“. Was den Straßenverkehr angeht, könnte man im Umkehrschluss von einer übermüdeten Gesellschaft reden. Aber was tun? Medikamente sind auf Dauer keine Lösung, sondern schaffen weitere Probleme: Sowohl Schlaf- als auch Aufputschmittel erzeugen schnell Abhängigkeiten, ohne das Problem der Übermüdung faktisch zu beheben.
Dennoch setzen viele Autofahrer bei akuter Müdigkeit auf die falschen Tricks, wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) ergibt. Im Rahmen der vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unterstützten Kampagne „Vorsicht Sekundenschlaf! Die Aktion gegen Müdigkeit am Steuer“ wurden 1.000 Autofahrerinnen und Autofahrer befragt. Das Ergebnis: „Bei Müdigkeit greifen viele Autofahrerinnen und Autofahrer zu den falschen Hilfsmitteln: 60 Prozent öffnen ein Fenster, 38 Prozent setzen auf Kaffee oder Energydrinks und 30 Prozent drehen die Musik auf. Gerade bei den 18- bis 29-Jährigen liegen koffeinhaltige Getränke (53 Prozent) und laute Musik (51 Prozent) gegen Müdigkeit hoch im Kurs. Diese vermeintlichen Hilfsmittel können jedoch das Einschlafen nicht verhindern.“ Dabei gab etwa jeder Vierte zu, „schon einmal am Steuer eingenickt“ zu sein (26 Prozent).
Für Müdigkeit im Straßenverkehr gilt: „Nur eine Pause mit Kurzschlaf oder Bewegung kann helfen“, erklärt Dr. Hans Günter Weeß, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und Autor des Buches „Die schlaflose Gesellschaft – Wege zu erholsamem Schlaf und mehr Leistungsvermögen“, gegenüber dem DVR. Ausreichend Schlaf sei das A und O vor Fahrtantritt. Bei ersten Anzeichen von akuter Müdigkeit solle man auf einen Parkplatz fahren und 10 bis 20, maximal 30 Minuten schlafen. Vor so einem Kurzschlaf könne, wer mag, „gern einen Kaffee trinken: Das darin enthaltene Koffein wirkt erst nach 30 Minuten, hindert nicht beim Einschlafen, erleichtert aber das Wachwerden und verstärkt so den Erfrischungseffekt.“ Dies gelte allerdings nur in Kombination mit dem Kurzschlaf. Kaffee allein ersetze den Kurzschlaf nicht. Wem das Schlafen schwer falle, der könne alternativ an der frischen Luft den „Kreislauf in Schwung“ bringen, so Weeß. Beides helfe aber nur für eine gewisse Zeit.
Daher sollten Pausen grundsätzlich alle zwei Stunden erfolgen. Denn: „Niemand ist dagegen gefeit, dass der Schlaf einen für Sekunden überwältigt. Es ist eine Illusion zu glauben, dies durch blanke Willenskraft zu verhindern“, warnt Weeß.