„StVGuaPflVGÄndG“ – unaussprechlich, aber zukunftsweisend

Die 135-jährige Geschichte zur Mobilität mit dem Verbrennungsmotor befindet sich auf der Überholspur – schlichtweg um sich selbst zu überholen.

Schon früh bauten Erfinder motorisierte Fahrzeuge. So auch der schottische Erfinder Robert Anderson in Aberdeen, der zwischen 1832 und 1839 das erste Elektrofahrzeug entwickelte. Das Jahr 1886 gilt mit dem „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ als das Geburtsjahr des modernen Automobils mit Verbrennungsmotor. Grund dafür mag die große mediale Aufmerksamkeit sein und die kurze Zeit später startende Serienproduktion. Bei großartigen Entwicklungen ist die mediale Aufmerksamkeit auch heute gegeben – wie im Jahr 2017 die Tests des Platooning-Systems von Scania zeigen. Neben der Kraftstoffersparnis steht beim Platooning besonders ein Grundgedanke im Fokus: Lkw-Fahrer können sich für eine Teilstrecke an einen bereits fahrenden Konvoi, bei dem ein Fahrzeug das Leitfahrzeug ist und sich ihm folgende Lkw digital angekoppelt haben, ebenfalls ankoppeln, und bei Bedarf auch wieder abkoppeln.

Aktuell steht die Einführung und Weiterentwicklung immer neuer Assistenzsysteme bis hin zu Systemen für die vollautomatisierte Fahrfunktion zur Steigerung der Straßenverkehrssicherheit im Fokus.

Ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung des Gesetzes zeigt die anfänglichen Vorbehalte gegenüber der vollen Automatisierung im Straßenverkehr: Fahrzeugführer ist selbst derjenige, der eine hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion aktiviert und zur Fahrzeugsteuerung verwendet, auch wenn er im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung dieser Funktion das Fahrzeug nicht eigenhändig steuert (StVG § 1a Abs. 4, Stand: 21. Juni 2017).

Der Fahrzeugführer darf sich zwar während der Fahrzeugführung mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen gemäß § 1a vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden – dabei muss er aber derart wahrnehmungsbereit bleiben, dass er die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder übernehmen kann, wenn ihn das hoch- oder vollautomatisierte System dazu auffordert. Oder wenn ein Grund erkennbar ist, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.

Der Fahrer, also der Mensch muss den Computer jederzeit übersteuern oder deaktivieren können, um die Fahraufgabe nach menschlichen Entscheidungskriterien zu bewerten und durchzuführen.

Die Bundesregierung arbeitet an einer vielseitigen und sicheren Mobilität – deshalb sind die Rahmenbedingungen für den Einsatz automatisierter und autonomer Fahrzeuge im Straßenverkehr konsequent zu verbessern. Infolgedessen war eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes der logische nächste Schritt.

Mit dem neuen Gesetz zum autonomen Fahren wurde jetzt der Rechtsrahmen geschaffen, um bundesweit einen Regelbetrieb autonomer Kraftfahrzeuge in festgelegten Betriebsbereichen im öffentlichen Straßenverkehr zu ermöglichen. Die Bundesregierung stellt dazu fest, dass durch die neue Regelung Deutschland als erster Staat weltweit Fahrzeuge ohne Fahrer aus der Forschung in den Alltag holt.

Ein festgelegter Betriebsbereich im Sinne des neuen Gesetzes bezeichnet den örtlich und räumlich bestimmten öffentlichen Straßenraum, in dem ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion bei Vorliegen der Voraussetzungen betrieben werden darf. Das macht Einzelgenehmigungen, Ausnahmen und Auflagen (z. B. die Anwesenheit eines eingriffsbereiten Sicherheitsfahrers) unnötig.

Einsatzszenarien wie regelmäßige Shuttle-Verkehre von einem zum anderen Ort, Hub-2-Hub-Verkehre, auch sogenannte Mover zum Transport von Fahrgästen auf einer festgelegten Linie, sind mit dem neuen Gesetz möglich.

Unternehmen werden schnell die Schubladen aufziehen und bereits fertige – mindestens aber bereits sehr weit entwickelte – Technologien in die Fahrzeuge integrieren. Denn die Beförderung von Personen und Gütern auf der ersten oder letzten Meile sind bereits ein stark nachgefragtes Thema.

Mit dem neuen Gesetz werden die technischen Anforderungen an den Bau, die Beschaffenheit und die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen geregelt. So sind Prüfung und Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen durch das Kraftfahrt-Bundesamt festgeschrieben. Die Pflichten der am Betrieb der Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion beteiligten Personen sind ebenso geregelt wie die Datenverarbeitung beim Betrieb der Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion.

Die Änderung des Gesetzes soll die Automobilwirtschaft dazu bewegen ihre Anstrengungen zur Etablierung des autonomen Fahrens zu intensivieren.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur teilt dazu mit, das Gesetz zum autonomen Fahren sei eine Übergangslösung, bis auf internationaler Ebene harmonisierte Vorschriften vorliegen. Mit Blick auf harmonisierte Märkte und Standards hat Deutschland ein großes Interesse an der Schaffung übergeordneter Regeln. Das BMVI wird sich entschlossen dafür einsetzen, die Rechtsrahmen auf EU- und UNECE-Ebene fortzuentwickeln. Unter aktiver deutscher Beteiligung wird aktuell an Erweiterungen der UN-Regelung zum Level-3-Spurhaltesystem (ALKS – Automated Lane Keeping System) gearbeitet, um als Ziel die Geschwindigkeitserweiterung bis 130 Stundenkilometer und die Spurwechselfähigkeit des Systems zu ermöglichen.

Vieles deutet derzeit darauf hin, dass die Einführung des SAE-Level 5 schneller folgen wird als bisher erwartet – vollautomatisiertes Fahren.

Das BMVI wird die Anwendung der Regelungen nach Ablauf des Jahres 2023 evaluieren und den Deutschen Bundestag über die Ergebnisse der Evaluierung unterrichten.

Wir werden weiterhin hinschauen und halten Sie auf dem Laufenden.

AnH
BKF-Redaktion